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DENKLINGEN Kundgebung für Demokratie und Vielfalt

  • Bildung & öffentliche Verantwortung

Wir sind mehr! Gegen Rassismus und Ausgrenzung wendete sich bei einer Demo in Denklingen. Parteiübergreifend unterstützten alle Fraktionen der Gemeinde Reichshof die Kundgebung. Mit dabei waren auch Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Eckenhagen und Bürgermeister Rüdiger Gennies.

Bei der Kundgebung in Denklingen sprach auch Pfarrer Stefan Fritsch, unterstützt von seinen Amtskollegen Martin Will und Achim Schneider aus den Nachbarkirchengemeinden. Seine Rede im Wortlaut:

"Ich muss zugeben, das ist das erste Mal, dass ich als Pfarrer auf einer politischen Kundgebung spreche. Nicht dass ich Politik nicht wichtig fände, aber eigentlich ist das nicht mein Job, denke ich. Als christliche Kirche wollen wir ja Menschen mit ganz unterschiedlichen Einstellungen und Lebensentwürfen eine Heimat bieten - von links bis rechts, von freiheitlich-liberal bis konservativ. Natürlich habe ich meine eigene Meinung, aber als Vertreter der Kirche möchte und darf ich mich nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen.

Trotzdem stehe ich jetzt hier, weil wir uns in einer besonderen Lage befinden. Denn das Treffen in Potsdam im letzten November hat mich aufgerüttelt. Nicht weil dort ein paar Rechtsradikale ihre furchtbaren Schreckensszenarien entwickelt haben. Das gab es leider schon immer. Aber momentan finden sie ein Echo in größeren Teilen unserer Bevölkerung. Zumindest finden es viele nicht so schlimm, dass sie ihre Wahlentscheidung davon beeinflussen lassen.

Dabei war es doch extrem krass, was dort besprochen wurde in der Villa am See: Ein sogenannter "Masterplan", der die Vertreibung von Millionen Menschen vorsieht, die angeblich irgendetwas Nicht-Deutsches an sich haben: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und sogenannte "nicht assimilierte" deutsche Staatsbürger. Das ist Ausländerfeindlichkeit pur, und deshalb sind wir, bin ich heute hier: Weil wir NEIN sagen müssen gegen Rassismus, und weil uns unsere Demokratie und vielfältiges, kulturelles Leben etwas wert sind.

Das Treffen in Potsdam erinnert an die Wannseekonferenz von 1942. Auch damals kam man in einer Villa am See zusammen, nur wenige Kilometer entfernt. Und damals ging es den Nazis um die Organisation der Vernichtung von Millionen jüdischer Menschen und anderer Minderheiten. - Will dieser angebliche Masterplan daran anknüpfen? Oder ignorieren sie einfach, was damals passiert ist?

Zum Glück leben wir heute in einer anderen Zeit - und die vielen Demonstrationen und Kundgebungen der letzten Wochen zeigen, dass vielen Menschen unser Land und unsere Freiheit etwas wert sind.

Selbstverständlich dürfen auch wir in Deutschland unsere Heimat lieben, und es gibt manches in der deutschen Geschichte, auf das wir stolz sein können, finde ich. Große Dichter und Denkerinnen wie Martin Luther, Karl Marx und Hannah Arendt sind hier geboren. Nicht alles, was sie geschrieben haben, finde ich gut. Aber ich kann sie in meiner Muttersprache lesen und das ist doch toll. Das geht mir bei Shakespeare und Platon nicht so.

Aber auch für so viele Menschen mit Migrationshintergrund ist Deutschland ihre Heimat, vielleicht nicht ihre einzige Heimat. Aber auch sie träumen - mal in Deutsch, mal in Arabisch, mal in Russisch. Und diese vielen Menschen mit ihren Kulturen, ihren Essensgewohnheiten, ihrem Lebensstil machen unser Land reich und bunt. Das möchte ich mir nicht nehmen lassen.

In der Bibel heißt es: Unterdrückt die Fremden nicht, die bei euch leben, sondern behandelt sie wie euresgleichen. Liebt sie wie euch selbst, denn auch ihr seid Fremde in Ägypten gewesen! Ich bin der HERR, euer Gott (Levitikus 19, 33-34). Als evangelische Kirche stehen wir deshalb für eine offene und vielfältige Gesellschaft und hinter unserer Demokratie und ihrer Verfassung.

Nicht dass hier alles gut wäre! Ich habe einiges zu meckern an unserem Staat und an unserer Gesellschaft. Aber das darf ich auch! Ich darf meine Meinung äußern, selbst wenn andere sie für Schwachsinn halten. Das finde ich wichtig. - Was ich aber nicht darf, ist andere beleidigen und ausgrenzen. Dafür lasst uns gemeinsam eintreten.

Martin Niemöller war ein bekannter Pfarrer, der offen gegen die Nazis aufgestanden ist. Eigentlich kam er politisch eher aus der rechten Ecke, doch als er gesehen hat, was Hitler eigentlich wollte, hat er angefangen, den Mund aufzumachen und ist dafür im KZ gelandet. Im Rückblick äußert er sich kritisch über seinen langen Weg in den Widerstand:

Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.

Das soll heute anders sein. Und es macht mir Mut, dass so viele in unserm Land dafür auf die Straße gehen, nicht wenige zum ersten Mal. Darauf können wir stolz sein. Unser Land hat sich verändert seit 1933. Lassen Sie uns aber dafür sorgen, dass Hass und Menschenverachtung immer wieder in die Schranken gewiesen werden."

www.ekagger.de | jth | Foto: Ilka Fielenbach 

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Auf der Bühne im Denklinger Burghof: Pfarrer Stefan Fritsch (re.), Pfarrer Achim Schneider, und Pfarrer Martin Will aus den Kirchengemeinden Denklingen, Marienhagen-Drespe und Eckenhagen.