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LANDESSYNODE 2024 Präses Latzel: „Sexualisierte Gewalt widerspricht allem, woran wir glauben". ForuM-Studie erscheint am 25.1.

  • Diakonie, Kirchenkreis

Die Landessynode hat auch das Thema "Sexualisierte Gewalt" behandelt. Die Evangelische Kirche in Deutschland veröffentlicht am 25. Januar ihre ForuM-Studie zum Thema, eine breit angelegte Studie, die alle Berufsgruppen in der Kirche und auch Ehrenamtliche seit 1946 in den Blick nimmt

 

Aktiv gegen Sexualisierte Gewalt im Kirchenkreis An der Agger (www.ekagger.de)

Für eine konsequente Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt und eine umfassende Präventionsarbeit setzt sich die Evangelische Kirche im Rheinland ein. „Sexualisierte Gewalt widerspricht allem, woran wir glauben und wofür wir stehen“, hat Präses Dr. Thorsten Latzel gestern in einer Pressekonferenz während der  Landessynode betont. Die Aufarbeitung sei ein „dauerhafter Lernprozess“. In der Vergangenheit sei Verantwortungsträgern das Ansehen der Institution oft wichtiger gewesen als das Leid der Betroffenen.

„Die Betroffenen haben schlicht ein Recht darauf, dass wir Geschehenes konsequent aufklären – ohne jedes Ansehen von Personen oder Institutionen“, sagte Präses Latzel. „Menschen suchen in der Kirche zu Recht Schutz und Hilfe für ihre Seele. Deswegen ist es skandalös und inakzeptabel, wenn Menschen sexualisierte Gewalt ausgerechnet im Raum der Kirche erleiden mussten oder erleiden müssen.“

Sexualisierte Gewalt sei dabei „kein Spartenthema“, sondern betreffe die ganze Gesellschaft. „Familie, Sport, Vereine, Schule – und uns als Kirche: Sexualisierte Gewalt, der Missbrauch von Macht aus sexuellen Motiven, ist weit verbreitet – viel weiter, als es noch heute viele Menschen, Funktionäre oder Verantwortliche wahrhaben wollen“, sagte der Präses.

ForuM-Studie und Fallzahlen

Ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung sei die sehr breit angelegte ForuM-Studie, deren Ergebnisse am 25. Januar 2024 vorliegen werden, sagte Präses Latzel. Im Unterschied zur katholischen MHG-Studie hat die ForuM-Studie auch die Diakonie, das Pendant zur katholischen Caritas, und alle kirchlichen Berufe und Ehrenamtlichen untersucht und bezieht sich nicht nur auf Kinder und Jugendliche, sondern auf alle Altersgruppen.

„Auf landeskirchlicher Ebene sind im Rheinland bisher 70 Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt bei Pfarrpersonen und landeskirchlichen Angestellten seit 1946 bekannt und wurden der ForuM-Studie nach Aktensichtung zur Verfügung gestellt, unterstützt durch einen Strafrichter“, berichtete Vizepräses Christoph Pistorius (Leitung Stabsstelle Aufarbeitung und Prävention). Als weitere Zahl nannte er: „In der 2021 eingerichteten Meldestelle der Landeskirche sind bis heute insgesamt 76 Meldungen von Verdachtsfällen eingegangen, die sich zum Teil auch auf Jahre zurückliegende Vorfälle beziehen. Diese Fälle stammen aus Gemeinden, Kirchenkreisen oder landeskirchlichen Einrichtungen.“ Beide Zahlen seien aber nicht zu addieren, da es eine Überschneidung in mindestens einem Drittel der Fälle gebe.

Schließlich gab es seit 2004 in der rheinischen Landeskirche 28 Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Vier davon laufen noch. Die Verfahren betreffen insgesamt Kirchenbeamte, Lehrer und Pfarrpersonen. In elf Fällen wurde auch staatlicherseits ermittelt, bei fünf davon wurde das Strafverfahren eingestellt, vier davon mit „großem Freispruch“, eines gegen Auflage.

Spezifische Strukturen und zeitaufwendige Aufarbeitung

Präses Latzel sagte, die evangelischen Kirchen in Deutschland hätten „spezifische Strukturen und teils unklare Verantwortlichkeiten, die es kritisch zu untersuchen gilt, inwiefern sie sexualisierte Gewalt oder einen intransparenten Umgang mit Missbrauchsfällen befördern“. Dies mache die Aufarbeitung komplizierter und zeitaufwendiger.

Den Umgang mit Missbrauch und sexualisierter Gewalt bezeichnete der Präses als einen „dauerhaften Lernprozess“ und erklärte: „Wir müssen selbstkritisch sagen, dass wir in der Vergangenheit viele Lernschritte zu langsam vollzogen haben.“ So hätten die bereits 2002 formulierten Leitlinien im Rahmen der Handreichung „Die Zeit heilt keineswegs alle Wunden“ nicht umgehend Wirkung entfaltet. „Menschen auf allen Ebenen unserer Kirche waren oft noch geprägt von einem Geist, der dem Schutz des Ansehens der Kirche oder von Amtsträgern einen zu hohen Stellenwert einräumt, höher als dem Leid von Betroffenen.“

Anerkennungsleistungen und Aufarbeitungskommission

Vizepräses Pistorius berichtete, hinsichtlich der Anerkennungsleistungen stehe derzeit noch eine Erarbeitung einheitlicher, bundesweit geltender Standards durch das Beteiligungsforum auf der Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus.

Nach der Abstimmung mit der Unabhängigen Beauftragten (UBSKM) des Bundes sei nun auch im Rheinland der Weg frei für die Arbeit einer unabhängigen, regionalen Aufarbeitungskommission, gemeinsam mit der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL).

Schutzkonzept mit Schulungen

Für die Prävention gibt es in der Evangelischen Kirche im Rheinland ein umfassendes Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Neben dem flächendeckenden Schulungsprogramm, der Pflicht eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses und der Erstellung von Schutzkonzepten umfasst es eine zentrale Meldestelle und die Meldepflicht für alle Fälle sexualisierter Gewalt.

„Grundlegend ist eine klare Haltung der Achtsamkeit und des Respekts“, betonte Juliane Arnold, Ansprechpartnerin für Prävention in der Ansprechstelle für den Umgang mit Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung. Ein wesentlicher Baustein der Schutzkonzepte sei der Bereich der Schulungen aller beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitenden. Allein mit dem bundesweiten Schulungsmaterial „Hinschauen-Helfen-Handeln“ hätten bis Ende Dezember 2023 insgesamt 828 Schulungen mit 10.377 Teilnehmenden stattgefunden, berichtete Arnold.

Im Kirchenkreis An der Agger haben sich bereits 571 hauptberufliche und ehrenamtlich Mitarbeitende (von 1500) schulen lassen. 

Schulungen können Mitarbeitende online buchen bei Portal der Evangelischen Erwachsenenbildung Oberberg des Kirchenkreises An der Agger. 

www.ekagger.de | jth | Text und Grafik: EKiR

Plakat_Stopp_Kirchenkreis_An_der_Agger.JPG

Im Kirchenkreis An der Agger schult die Beratungsstelle Haus für Alle alle Mitarbeitenden zum Thema Prävention. Die Fachstelle bildet mit anderen katholischen und städtischen Beratungsstellen im Oberbergischen Kreis ein breites Bündnis gegen Sexualisierte Gewalt.