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SOMMERGESPRÄCH "Warum tun sich Theologen so schwer mit dem Thema Sexualität?"

  • Glaube & Seelsorge, Bildung & öffentliche Verantwortung

Theologisches Sommergespräch: "Was ist guter Sex? Sexualethik aus protestantischer Sicht" war Thema eines erhellenden Abends mit Professor Dr. Gerhard Schreiber aus Darmstadt 

Zum 2. Theologischen Sommergespräch des Kirchenkreises An der Agger mit angeregter Diskussion haben sich rund 30 Gäste im evangelischen Gemeindehaus Ründeroth getroffen. Thema: "Was ist guter Sex? Sexualethik aus protestantischer Sicht." Der Referent Professor Dr. Gerhard Schreiber führte zügig, verständlich und humorvoll durch die Ideengeschichte der Sexualität. Die letzte Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema stammt von 1971. "Warum tun sich Theologen so schwer damit, über Sexualität zu reden?" 

Dass es schwierig ist, dieses Thema anzugehen, merkte auch Superintendent Michael Braun im Vorfeld der Veranstaltung. Einige hätten Sexualität als Thema des Theologischen Sommergesprächs in Frage gestellt. "Und warum überhaupt in Ründeroth?" Braun scherzte:  Den Karnevalsschlager "Komm mit mir nach Ründeroth, wo die Liebe und die Sünde droht" habe er bei der Anfrage an die Kirchengemeinde Ründeroth nicht im Sinn gehabt. Das Publikum freute sich. Die Ründerother  verbesserten: "...wo die Liebe und die Sünde wohnt!"

Mit den dunklen Seiten der Sexualität hat sich Professor Schreiber ausführlich in seinem 850-Seiten-Buch "Im Dunkel der Sexualität. Sexualität und Gewalt aus sexualethischer Perspektive" befasst. Sexualität sei etwas Lebensnotwendiges, das allen Menschen zu eigen ist, leider auch etwas, das grausame Wirkungen haben könne. Beim Sommergespräch gehe es ihm nun darum, die positiven Seiten der Sexualität zu benennen und zum Gespräch darüber zu ermutigen. 

Die evangelische Kirche habe eine Konsensmoral aus der alten Verbotsmoral entwickelt. Für Erheiterung sorgte Schreibers Zusammenstellung von Verboten: zum Beispiel kein Sex vor und nach Ostern und Weihnachten, kein Sex an Bußtagen wie Mittwoch und Freitag. "Also zwei Drittel das Jahres durfte man sowieso keinen Sex haben und in dem einen Drittel keine Lust dabei empfinden aus Angst vor Kontrollverlust."

Spiel mit Spielregeln 

Auch nach der Weltgesundheitsorganisation WHO ist eine gute Sexualität geprägt von doppelter begeisterter Zustimmung ("Nur Mitmachen ist keine Zustimmung") und  gegenseitiger Bereicherung.  Was die Menschen seit Anfang des 18. Jahrhunderts Sexualität nennen - vorher war es die Minne, die Liebe oder die Libido - , diente im Lauf der Zeit verschiedenen Zwecken: Fortpflanzung, Lust, Beziehung und Kommunikation.  

Was guter Sex ist? "Das müssen Sie selbst entscheiden. Ich gebe Ihnen hier keine Anleitung", sagte der Theologe Schreiber gleich zu Beginn des Abends. Er beschrieb Sexualität als ein Spiel unter Erwachsenen.  "Das einzige Spiel, bei dem Sie währenddessen die Regeln ändern können. Das gehört sogar dazu. Machen Sie das mal bei einem anderen Spiel, da haben Sie schnell keine Freunde mehr." Sexuelle Erlebnisse, gute wie schlechte, prägten einen Menschen sein Leben lang. Auch hier hat die Kirche eine Aufgabe als Seelsorgerin und als Anlaufstelle. 

Und was ist mit Queerness und LGTBQ? Muss Kirche da nicht mit der Gesellschaft Schritt halten?, wurde gefragt. Queere Menschen und Transmenschen habe es in der Geschichte immer gegeben, sagte Gerhard Schreiber. Er warb für mehr Offenheit. "Natürlich sind queere Menschen in der Kirche willkommen. Sie gehören zu Gottes guter Ordnung, sonst gäbe es sie nicht." Wo theologische Diskurse Menschen noch ausschließen, sollte die Kirche ihre Regeln angehen. Theologie müsse sich auch anderen Wissenschaften öffnen und wissenschaftliche Erkenntnisse aus Medizin oder Psychologie aufnehmen. 

Gabe und Aufgabe 

Ergebnis des Sommergesprächs: Sexualität ist von Gott gegeben, sie ist Gabe Gottes und Aufgabe. Sie geschieht in Freiheit für die Liebe und in Freiheit von Dingen, die man nicht will. Das ist auch eine wichtige Botschaft an Konfirmandinnen und Konfirmanden. Pfarrerin Judith Krüger aus Wiehl schilderte, dass Fragen zur Sexualität ganz selbstverständlich in der Konfi-Zeit eine Rolle spielten. Kinder würden heute immer früher durch Pornografie, einem  Zerrbild der Sexualität, geprägt, sagte Schreiber. Auch dafür ist es lebenswichtig, gut über die eigene Sexualität Bescheid zu wissen und sprechen zu können. 

Superintendent Michael Braun freute sich über das angeregte Gespräch nach dem Vortrag. Die Entscheidung, das Thema aufzugreifen, sei wichtig und richtig gewesen. Auch er habe noch dazugelernt an dem Abend. Am wichtigsten sei auch ihm der Aspekt: Es geht darum, Sexualität verantwortlich zu gestalten - in der Liebe vor sich selbst, vor dem anderen und vor Gott. Das Theologische Sommergespräch endete mit Gebet und dem Abendsegen. 

Professor Gerhard Schreiber lud ein, ihm zu schreiben: "Wenn Sie Fragen haben oder Literatur brauchen, schreiben Sie mir. Ich kann nicht immer sofort antworten, aber ich antworte." Den Kontakt vermittelt die Superintendentur des Kirchenkreises unter superintendentur.anderagger@ekir.de

www.ekagger.de | jth | Text: Judith Thies | Fotos: Kirchenkreis An der Agger/J. Thies 

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Beim 2. Theologischen Sommerabend des Kirchenkreises An der Agger war Professor Dr. Gerhard Schreiber zu Gast. Vor dem Gesprächsabend war noch Zeit für einen kurzen Gang zum Flussufer. Die Agger fließt in Ründeroth zwischen der evangelischen Kirche und dem Gemeindehaus

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Superintendent Michael Braun (re.) und Gerhard Schreiber freuten sich über die angeregten Gespräche. Professor Schreiber nahm sich viel Zeit für alle Fragen aus dem Publikum. Eigentlich müsste es eine Fortsetzung geben