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GEDENKEN 9. NOVEMBER "Wir müssen hinsehen"

  • Bildung & öffentliche Verantwortung

Zum 84. Jahrestag der Novemberpogrome 1938 haben in Nümbrecht und Rosbach Gedenkstunden stattgefunden

Rund 150 Menschen haben sich gestern Abend in der Friedhofstraße vor dem jüdischen Friedhof versammelt. Eingeladen hatten  die Oberbergische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Kommunalgemeinde Nümbrecht, der Freundeskreis Wiehl-Jokneam e.V. und der Freundeskreis Nümbrecht-Mateh Yehuda.

Die Gedenkrede hielt Superintendent Michael Braun, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger. Er nahm Bezug auf die Jahreslosung 2023: "Du bist der Gott, der mich ansieht" (Genesis 16,13). "Gott sieht uns Menschen an, deswegen sind wir angesehene Menschen. Wer aber wegsieht und andere Menschen nicht mehr sehen mag, der geht den ersten Schritt zum Übersehen und Schlimmeren." Einen anderen Menschen zu sehen, sei besonders wichtig in Not und Elend, in Krieg und Verfolgung. Gerade darum gelte es hinzusehen, heute zum Beispiel in der Ukraine, in Syrien, auf dem Mittelmeer und in den größer werdenden Hungergebieten. 

"Worauf soll ich meinen Blick heute richten?"

Es gelte hinzusehen bei den Schrecken der Vergangenheitt und die Menschen in den Blick zu nehmen, die durch das Wegsehen viel zu vieler unendliches Leid erleiden mussten. "Wer genau hinsieht, der sieht irgendwann auch auf sich selber. Was habe ich getan? Habe ich hingeschaut? Worauf sollte ich meinen Blick heute richten?"

Braun verurteilte die judenfeindliche Phase im Wirken Luthers. Luther habe nie Kontakt mit Juden gehabt, damals lebten 40.000 Juden in Deutschland. Er habe über sie geredet und nicht mit ihnen. Es sei heute Aufgabe, jede Kontaktmöglichkeit zu suchen und "einander gut im Blick zu haben, damit jede Form von Distanz vermieden wird, damit nicht aus Distanz Unkenntnis wird, aus Unkenntnis Ablehnung und aus Ablehnung wieder Hass". 

Die Erinnerungskultur und auch das Gedenken und Hinsehen würden sich ändern, wenn die Zeitzeugen sterben, sagte Braun. "Lassen Sie uns am Ziel festhalten, einander weiter anzusehen und einander zu begegnen, damit wir gemeinsam Menschen sind, die Gott gerne ansieht."

In der katholischen Heilig-Geist-Kirche fand anschließend eine Lesung statt: "Fragt uns, wir sind die letzten. Zeugnisse von Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Ghettos." Für den musikalischen Rahmen sorgte  das Klezmer-Duo Bernd Spehl und Georg Brinkmann.

Gedenkstunde in der Salvatorkirche in Rosbach 

Die Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ hatte für 16 Uhr zu einer offiziellen Gedenkstunde in der evangelischen Salvatorkirche in Windeck-Rosbach eingeladen. Im Zentrum der Gedenkstunde stand der Vortrag „Der arme Dr. Dussel, Anne Franks Zimmernachbar“ - Eine Lesung aus dem Tagebuch der Anne Frank und weiteren Quellen.  Die Veranstaltung wurde musikalisch umrahmt von Bella Liebermann und Katya Kaschuba.

127 Menschen allein in NRW verloren ihr Leben

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden in ganz Deutschland Synagogen durch Angehörige von SS und SA zerstört und in Brand gesteckt, der Besitz jüdischer Bürgerinnen und Bürger mit öffentlicher Billigung geplündert und viele Jüdinnen und Juden wurden misshandelt oder willkürlich verhaftet.

Mehr als 1.400 Betstuben und Synagogen sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Rund 30.000 jüdische Menschen wurden in Konzentrationslagern inhaftiert, Hunderte von ihnen wurden ermordet oder starben an den Haftfolgen. 

Mindestens 127 Menschen verloren während und kurz nach den Novemberpogromen ihr Leben – dies allein auf dem Gebiet des heutigen Landes Nordrhein-Westfalen.

Diese Ausschreitungen gegen Juden waren bis dahin der Höhepunkt eines staatlichen, nicht nur tolerierten, sondern aktiv unterstützten Antisemitismus, der mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 seinen Anfang genommen hatte.

www.ekagger.de | jth | Fotos: Joachim Gies (3); Monika Themann 

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Gegen das Vergessen und zur Mahnung: Die Gedenkstunden am jüdischen Friedhof finden jedes Jahr statt

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Pfarrer Michael Braun, Superintendent des Kirchenkreises An der Agger, hielt die Gedenkansprache auf dem jüdischen Friedhof

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Schülerinnen und Schüler gestalten jedes Jahr das Gedenken mit

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Eingeladen hatten unter anderem die Kommunalgemeinde Nümbrecht und die Oberbergische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit