Ich habe einen Kompass und ich mag es, damit zu spielen. Ich stelle den Nordpol ein; während der Einstellung merke ich immer wieder, was für ein empfindliches Gerät das eigentlich ist. Wenn ich den Norden richtig getroffen habe, dann schaue ich nach vorne, danach nach links, rechts und hinter mich.
So stelle ich fest, wo ich gerade bin. Ein bewusster Moment der Wahrheit. Ein Moment, in dem ich mich ausrichten kann. Später suche ich dann nach meiner Geburtsstadt oder nach Städten, in denen ich schon mal gelebt habe. Immer wieder stelle ich mich in eine andere Himmelrichtung und stelle auch eine andere Perspektive fest.
Mein Kompass hat einen festen Ort
Ein Kompass hilft, ein Ziel zu finden. Ein Kompass bietet die Sicherheit in der Schöpfung und zeigt die gute Richtung, wenn man ein gutes Ziel hat. Wenn jemand einen Kompass in seiner Hand hält und bereit ist, ihn ordnungsgemäß zu nutzen, dann ist dieser Kompass sehr wertvoll.
Aber wer nutzt in der Zeit von GPS noch einen Kompass? Warum kann man heute noch Kompasse kaufen? Sind solche Geräte nicht so altmodisch, dass man sie eigentlich nicht mehr braucht?
Mein Kompass hat einen festen Ort in einer ganz bestimmten Schublade. Es ist da, wenn er gebraucht wird. Aber trotz aller romantischen Vorstellungen seiner Benutzung bleibt mein Kompass doch fast immer zu Hause.
Der innere Kompass und die Zehn Gebote: Wo stehe ich gerade?
Unser Monatsspruch für den Juli stammt aus dem 2. Buch Mose. Dieses Buch erzählt uns, wie die Israeliten in Ägypten Sklaven waren, wie Gott sie aus der Sklaverei herausgeführt hat, wie die Zehn Gebote entstanden sind. Im Buch Exodus finden wir viele Geschichten und viele Weisheitssprüche.
Einer davon beschäftigt sich mit dem inneren Kompass. Eine wunderbare Möglichkeit zur Selbstreflexion: Wo stehe ich, wie funktioniere ich? Gehöre ich zu der Mehrheit? Wem folge ich? Der Masse? Oder finde ich meinen eigenen Weg? Halte ich das aus, eine Strecke zu gehen ohne die Idee, dass mein Weg schon richtig sein wird, weil ja so viele ihn gehen? Die Mehrheit bietet immer eine gewisse Sicherheit.
Der innere Kompass oder auch "das Gewissen"
Es gibt ja so einige Binsenweisheiten: „Die Mehrheit kann keinen Fehler machen.“ Oder anders: „Wenn wir alles zusammen machen, sind wir stärker und erfolgreicher.” Dabei wissen wir doch auch: Die Mehrheit stellt selbst eine Gefahr dar. Die Mehrheit kann auch schlechte Entscheidungen treffen, Fehler machen. Die Mehrheit kann von anerkannten Menschen „im Namen der Vielfalt” oder „im Namen der einzigen Wahrheit” oder „im Namen des Zeitgeistes” geführt werden. Was bedeuten all diese Begriffe, wenn die Masse dabei den Konsens bildet? Dass das alles automatisch wahr und richtig ist? Dass alles abseits davon nicht stimmt?
Für die Einstellung eines Kompasses braucht man Übung, gute Aufmerksamkeit und viel Ausdauer. Das ist bei geistlichen Dingen ganz genauso. Die Richtung zu Gott ist tatsächlich auch eine Frage der Einstellung und Ausrichtung; man braucht dafür seinen inneren Kompass. Manche verwenden dafür auch den Begriff „Gewissen”.
Frei, sich zu bewegen - unter gutem Geleit
Das Gewissen bedarf aber schon eines Kompasses. Der dient auch zur Gewissensbildung. Ist der innere Kompass auf Gott genordet, so ist der Mensch gut ausgerichtet, dann kann er sein Gewissen nach Gottes Gesetz ausrichten, dann ist er frei, sich zu bewegen – unter gutem Geleit. Niemals richtungslos, stets fern jeder Sklaverei. In einem evangelischen Kirchenlied heißt es: "Such, wer da will, ein ander Ziel" (Evangelisches Gesangbuch 346).
Dr. Sándor Károly Molnár ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Waldbröl.
www.ekagger.de | jth | Foto: Silke Molnár