Maria Aarts ist in Fachkreisen eine Legende. Die Niederländerin ist 74 Jahre alt und Begründerin der Marte-Meo-Methode, mit der Kinder und Erwachsene in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Dass Maria Aarts nach Nümbrecht kommt, um einen Marte-Meo-Fachtag zu leiten, sei „eine große Anerkennung unserer Arbeit“, sagt Lina Spitzer, Fachberaterin für Kindertagesstätten im Kirchenkreis An der Agger. Sie hat den Fachtag zusammen mit ihrer Kollegin Nina Kramer organisiert sowie mit den Marte-Meo-Fachkräften Nicole Menninger und Silvia Velten von “Marte Meo Oberberg”, die beiden arbeiten in evangelischen Kindertagesstätten in Waldbröl. “Für uns ist es wichtig, diesen Fachtag anbieten zu können, denn in den Kitas erleben viele Fachkräfte zunehmend Situationen, in denen Kinder besonders feinfühlig begleitet werden müssen.”
Mehr als 140 Erzieherinnen und Erzieher vieler oberbergischer Kindertagestätten sowie Mitarbeitende aus Ganztagsschulen, weiterführenden Schulen und der Jugendhilfe hatten sich für den Fachtag „Marte Meo: Beziehungen bauen“ im Nümbrechter Parkhotel angemeldet. Aufmerksam folgten sie den lebendigen Vorträgen und kleinen Videosequenzen, die Maria Aarts auf Deutsch mit niederländischem Akzent humorvoll anmoderierte und kommentierte. Eine Teilnehmerin schwärmte schon in der Mittagspause: „Das ist die beste Fortbildung, die ich je gemacht habe.“
Es geht bei Marte Meo darum, durch Aufmerksamkeit und Freundlichkeit Beziehungen zu bauen und Entwicklungsbotschaften hinter auffälligem Verhalten wahrzunehmen. Ein verhaltensauffälliges Kind signalisiere: „Ich hatte bisher noch nicht die Chance, zu lernen, wie man gut miteinander auskommt, hilf mir, es zu lernen.“
Ziel ist es, die in allen Kindern und Erwachsenen schlummernden Ressourcen für inneres Wachstum, ein positives Selbstbild und Entwicklung zu aktivieren. Wenn die Kinder dabei lernen, dass sie etwas „aus eigener Kraft“ (marte meo heißt auf lateinisch aus meiner Kraft) gut gemacht haben, seien das „goldene Geschenke“ für sie, sagt Maria Aarts, von denen die Kinder ihr Leben lang profitieren.
„Jedes Kind wird mit einer Goldmine geboren, mit Talenten und Interessen“, sagt Maria Aarts. „Kinder brauchen nur manchmal Unterstützung im Alltag, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln.“ Dabei verdiene jedes Kind seine eigene Erziehung. Sie lächelt: „Jedes Kind gleich zu erziehen, ist dumm.“ Maria Aarts weiß das aus eigener Erfahrung, sie ist selbst als achtes von 14 Kindern groß geworden. Viel habe sie von ihrer klugen Mutter gelernt, die ihnen beigebracht habe, aufeinander zu achten und auch Glück als gemeinsames Paket von mehreren zu verstehen. „Wenn ich auch auf das Glück von anderen gucke, habe ich ja viel mehr Glück, als wenn ich nur mein eigenes sehe. Gute Freunde können gut mitgenießen.“
Maria Aarts lehrt ihre Methode seit mehr als 40 Jahren in 53 Ländern. Denn: „Eltern brauchen Motivation, Liebe und Zeit, aber sie brauchen vor allem auch Information.“ Sie hat junge Mütter in Vierteln mit sozialen Herausforderungen kennengelernt, die wenig mit ihren Kindern sprechen, weil sie nicht wissen, dass man mit Babys schon gut kommunizieren kann. „Wenn das Kind ein freudvolles Gesicht sieht, lernt es: Ich werde gesehen, die Menschen genießen meine Anwesenheit.“ Wenn Eltern die Laute ihrer Babys genau nachmachen, lernen diese: „Ich habe was zu sagen, ich werde gehört.“
Wie wichtig das einladende Gesicht ist
Maria Aarts stellte kurze „Learning Sets“ vor, Sammlungen von Videoclips, die alltägliche Interaktionen aus dem Alltag mit Kindern und alten Menschen zeigen, die Förderungsbedarf haben. Mit einem einladenden Gesicht, mit respektvollem Warten und positivem Anleiten wird ihnen geholfen, den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen, ohne sie zu überfordern. Ein kurzes Video zeigt einen 19-Jährigen, der mit seiner an Demenz erkrankten Oma Apfelkuchen isst. „Ist das nicht schön, wie freundlich er sie anguckt, er macht das einladende Gesicht, er beschreibt, was sie tut, sie fühlt sich sicher. Ich liebe das“, sagt Maria Aarts.
Es ist verblüffend, wie viel Maria Aarts aus einem vierzigsekündigen Videoclip vom gemeinsamen Zähneputzen eines Vaters mit seiner kleinen Tochter herauslesen kann. Immer wieder stoppt sie das Video, weist auf Formulierungen, Gestik und Mimik hin und sagt: „Er macht das toll, er schaut sie an. Als ihr die Zahnbürste runterfällt, schimpft er nicht oder guckt sorgenvoll, sondern sagt nur ,ups'." Maria Aarts lacht und schlägt vor: „Wir sollten alle weniger schimpfen und mehr ‚Ups‘ sagen im Leben. Das macht das Gehirn weit offen, da können wir Neues besser lernen. “
Diese evangelischen Einrichtungen waren dabei:
Ev. Familienzentrum Gummersbach Innenstadt
Ev. Familienzentrum Vollmerhausen
Ev. Kindertageseinrichtung Niederseßmar
Ev. Familienzentrum Samenkorn - Wiehl
Ev. Familienzentrum u. Kindergarten Drabenderhöhe
Ev. Familienzentrum Sonnenstrahl – Waldbröl
Ev. Kindertagesstätte Wassertropfen – Waldbröl
Ev. Kindergarten „Unterm Schirm“ und Familienzentrum - MarienhagenDrespe
Ev. Kindergarten Loope
Ev. Familienzentrum Müllenbach
www.ekagger.de | jth | Text: Judith Thies | Fotos: Kirchenkreis An der Agger/J.Thies