Traumata haben gesundheitliche Folgen: Bei traumatischem Stress wird das Gehirn anders aktiviert als bei einer normalen Stressreaktion, es wird überfordert wie bei Soldaten im Krieg. Traumatischer Stress, das Leben in ständiger Alarmbereitschaft, macht psychisch und körperlich krank. Jahrelang oder auch lebenslang können traumatische Ereignisse im frühen Alter belastend sein, denn der Körper behält das Trauma in sich. Panik, Sucht, Depression, Suizidalität, sogar chronische Krankheiten wie Diabetes können begleitende Folgen sein. Der ständige Kampf gegen unsichtbare Gefahren schlaucht und trennt von einem gelingenden Leben.
Um eine Traumafolgestörung überhaupt erkennen zu können, brauchen auch Fachleute Schulungen. Denn bei Kindern und Jugendlichen werden Traumata zum Beispiel oftmals mit anderen Beeinträchtigungen verwechselt wie etwa ADHS, dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. „Traumatisierte Menschen brauchen Entlastung“, sagt Belma Hadžerić, langjährige Leiterin der Beratungsstelle für Flüchtlinge des Kirchenkreises An der Agger. „Es ist wichtig, nicht die Augen zu verschließen.“ Die Haltung in der Gesellschaft müsse sich ändern und der Umgang sensibler werden.
Fast 40 Teilnehmende aus dem ganzen Oberbergischen Kreis
Zum ersten Mal haben haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende in der oberbergischen Flüchtlingsarbeit gemeinsamen an einer ganztägigen Fortbildung der Beratungsstelle für Flüchtlinge teilgenommen. Die Beratungsstelle und das Kommunale Integrationszentrum (KI) des Oberbergischen Kreis hatten gemeinsam eingeladen zu einer Veranstaltung zum Thema „Traumasensibler Umgang mit geflüchteten Menschen – ein Angebot für Haupt- und Ehrenamtliche“.
Die Veranstaltung im ehemaligen Kantinengebäude des Kreishauses war sehr schnell ausgebucht: Fast 40 Menschen aus verschiedenen Kommunen nahmen teil, darunter die Flüchtlingshilfe Drespe, Integrationsfachkräfte aus Engelskirchen und Lindlar, Mitarbeitende aus Kindergärten, Case Manager im Rahmen des Kommunalen Integrationsmanagements (KIM), Mitarbeitende des Jobcenters Oberberg, des Kreisjugendamts und des Vereins für Soziale Bildung (VSB).
Die Referentin ist eine ausgewiesene Expertin für das Thema: Dr. Dima Zito ist Diplom-Sozialpädagogin, Systemische Therapeutin (DGSF) und Supervisorin (Zitovision.de), Trauma- und Psychodramatherapeutin und Autorin. Sie arbeitet im Psycho-Sozialen Zentrum Düsseldorf und in ihrer eigenen Praxis „LebensWege“ in Hückeswagen. Mit ihrem Mann Ernest Martin hat sie verschiedene Bücher geschrieben, zuletzt: „Traumsensibler Umgang mit geflüchteten Menschen. Ein Leitfaden für Fachkräfte und Ehrenamtliche“.
Sechs Stunden lang ging es in der Fortbildung um stabilisierende und ressourcenorientierte Hilfen für geflüchtete Menschen, die aufgrund von Krieg, Gewalt und Lebensgefahr in den Herkunftsländern und auf der Flucht traumatisiert worden sind. Wie in der Ersten Hilfe ging es auch um Selbstschutz: Die Ehrenamtlichen und Fachkräfte beraten und unterstützen die traumatisierten Menschen und müssen sich dabei auch vor eigenen Belastungen schützen, müssen Grenzen setzen, Abstand gewinnen können und lernen, sich Unterstützung zu holen. Zu ihrer Selbstfürsorge gehört auch, eigene Verletzungen zu heilen.
Die Veranstaltung gab Antworten auf die Fragen: Was kann ein Trauma auslösen? Was sind typische Symptome? Woran kann ich erkennen, ob ein Mensch, den ich begleite, traumatisiert sein könnte? Wie erkennt man belastende Themen und Gefühle und wie geht man damit um?
Wichtig ist der eigene Einsatzort in der Flüchtlingsarbeit als sicherer Ort. „Inseln der Sicherheit schützen vor dem Ertrinken“, formuliert es Referentin Dima Zito. Die Teilnehmenden übten Atemtechniken für die innere Sicherheit. Ausprobiert wurden auch Bewegungstechniken und Ablenktechniken zur Selbstberuhigung und zur Reorientierung bei Dissoziationen („Dissoziationsstopp“), wenn Menschen nicht mehr ansprechbar sind. Dann kann es helfen, sie abzulenken durch Gespräch und Bewegung, vielleicht einfach mal zusammen lachen. Eine Technik ist das Visuell-nach-außen-Gehen, wenn man im Moment von inneren Bildern gefangen ist. Dann kann es helfen, zum Beispiel drei rote Gegenstände im Raum zu benennen.
Traumabedingte Dynamiken frühzeitig erkennen
„Trauma spielt oft eine zentrale Rolle in der Biografie vieler Jugendlicher, die ich begleite“, sagte Jana Ulrich, pädagogische Fachkraft im Jugendbüro der Stadt Gummersbach. „Durch die Fortbildung möchte ich lernen, angemessen darauf zu reagieren und ressourcenorientiert zu unterstützen.“ Christiane Wonner und Diana Neu vom Ressort Integration der Stadt Gummersbach haben in ihrer beratenden Tätigkeit regelmäßig Kontakt zu traumatisierten Menschen. Die Fortbildung habe ihnen geholfen, verschiedene Verhaltensweisen zu verstehen und ihnen mit der notwendigen Sensibilität zu begegnen, sagten sie in der Auswertung. Jan Tüttemann ist Plus-Kita-Kraft für Bildung und Teilhabe, Interkulturalität und Mehrsprachigkeit, er arbeitet im Familienzentrum Janoschs Trauminsel. „Als Erzieher begegne ich immer wieder Familien, die aufgrund von Flucht, Verlust oder Gewalt traumatische Erfahrungen mitbringen.“ Ihm sei es wichtig, ihnen einen sicheren, wertschätzenden und verlässlichen Raum zu bieten.
Auch in der Arbeitsvermittlung ist das Wissen um Traumatisierungen wichtig. Heike Tröndt ist Förder- und Gesundheitsberaterin im Jobcenter Oberberg. Dort würden viele Menschen mit Fluchterfahrung betreut. „Wichtig ist hier, Hintergründe zu verstehen, um bedarfsgerecht und verständnisvoll mit den Menschen arbeiten zu können.“ Katja Gerlach, Leiterin des DRK-Familienzentrums Bernberg, fühlt sich durch die Fortbildung unterstützt in ihrer täglichen Arbeit: „Mir ist es wichtig, dass geflüchtete Familien sich bei uns wohlfühlen und wir ihnen Sicherheit geben können.“
Belma Hadžerić hat die Fortbildung mit ihrem Team der Flüchtlingsberatungsstelle und dem Team des KI geplant und nach ihrem Stellenwechsel in das Fördermittelmanagement des Kirchenkreises An der Agger noch durchgeführt. Sie freut sich über das sehr positive Votum der Teilnehmenden. „Wir müssen den Bedarf erkennen, die Schulungen müssen weitergehen.“
Ansprechpartner
Flüchtlingsberatungsstelle des Evangelischen Kirchenkreises, hussein.al_safar@ekir.de oder omar.sabalbal@ekir.de oder christine.althoefer@~@ekir.de, 02261 61033.
Kommunales Integrationszentrum, karina.barbera@~@obk oder julius.zentz@~@obk.de, 02261 88-1247.
Beratungsstellen
Haus für Alle in Waldbröl, die Beratungsstelle für Erziehungs-, Familien-, Ehe- und Lebensfragen des Kirchenkreises An der Agger
Herbstmühle in Wipperfürth
Baumhof Gummersbach
Psychiatrische Ambulanz Marienheide
Psychiatrische Ambulanz Gummersbach
Offene Sprechstunde für Jugendliche in Marienheide
116 117 (Homepage) - online Erstgespräche vereinbaren
Literatur
Dima Zito und Ernest Martin: Traumsensibler Umgang mit geflüchteten Menschen. Ein Leitfaden für Fachkräfte und Ehrenamtliche, Beltz 2024 (inklusive Checklisten)
www.ekagger.de | jth | Text: Judith Thies | Fotos: Belma Hadžerić; Gruppenfoto: Gabriele Steffl














