Uwe Selbach schrieb im vorletzten Gummersbacher Gemeindebrief zum Leitthema dieses Heftes „Wachsam dankbar bleiben“ : „Über meinem ganzen Dienst und über meinem bisherigen Leben steht in goldenen Lettern: ,Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade‘ (Johannes 1,16) oder wie Johannes Jourdan es ausgedrückt hat: ,Mein Leben ist Gnade‘. Gott hat mir vieles in die Wiege gelegt, hat mir Wege gezeigt, mir liebe Wegbegleiter geschenkt, mich durch Schwierigkeiten hindurchgetragen und ich durfte einfach nur nehmen, was er bereit hielt und es weitergeben an andere! Wie aus einem Füllhorn durfte ich ,Gnade um Gnade‘ empfangen und verschwenderisch damit ,hausieren‘ gehen. Wenn das kein Grund zum Danken ist!
Was dachten Sie mit 18, wo Sie heute stehen würden?
Bereits mit 14 stand nach meiner Konfi-Freizeit fest, dass der Glaube an Jesus Christus mein Leben bestimmen würde. Und in den darauffolgenden sechs Jahren (mit der Schule hatte ich mir etwas Zeit gelassen) in der Gemeinde wurde klar – so, wie für andere nur feststand „Der Junge muss an die frische Luft“ – dass dieser Junge auf die Kanzel musste! Voilà!
Wie kam die Arbeit als Pfarrer in Ihr Leben?
Die Leidenschaft, anderen vom Glauben zu erzählen, theologische Neugier, Freude am Formulieren, Interesse am Gegenüber – sprich: „Verkündigung und Seelsorge“ wurden in der Jugendzeit zu den Haupteigenschaften, die dann in keinem anderen Beruf besser hätten ausgelebt werden können.
Welche Eigenschaften brauchten Sie für diese Aufgabe?
Außer den gerade genannten: Gottvertrauen. Einen Glauben, der dem Vater im Himmel, „dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut“ (EG 358,2). Zur anderen Seite hin: Empathie, Geduld, das tiefe Bedürfnis, alles zum Besten kehren zu wollen und jedem Menschen „auf Augenhöhe“ zu begegnen und die dankbare Erfahrung, dass man viel Neues lernt, wenn man den anderen aussprechen lässt.
Was haben Sie an Ihrer Aufgabe geliebt?
Die Vielfalt der Herausforderungen. Die Abwechslung. Die überwiegend netten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Die sehr unterschiedlichen Feiern unserer sehr unterschiedlichen Gottesdienste. Die Freude in den Kinderaugen und die Dankbarkeit in den Augen von Senioren und das Augenzwinkern bei allen dazwischen und das Lachen der Engel.
Woraus bestanden Ihre Schwerpunktaufgaben?
Gott sei Dank hatte ich nur eine: bei den Menschen zu sein! Bei den Taufen, den Konfirmationen, den Hochzeiten, den Geburtstagen und Jubiläen, den Trauerfeiern. Und dann durfte ich immer Gottesdienste feiern! Gott sei Dank hatte ich immer ganz wunderbare Kollegen und Mitarbeiterinnen, die auf dem Weg der Kirche in die digitale Welt mir ganz viel Verwaltungsarbeit abgenommen haben. Dafür bin ich ihnen auf ewig dankbar!
Welches sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen der evangelischen Kirchengemeinde Gummersbach?
Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel, das heißt alles, was sich früher von selbst verstand, versteht sich längst nicht mehr von selbst! (Früher war es zum Beispiel selbstverständlich, dass man zur Kirche gehörte.) Für diesen Umschwung sind wir nicht ausgerüstet – genausowenig, wie Europa auf den Umbruch des „Weltfriedens“, den wir zur Jahrtausendwende für sicher hielten. „Doch größer wär des Menschen Not, wär nicht ein Gott, der milde mit uns allen.“ (H. D. Hüsch).
Wo sehen Sie unsere Gemeinde in 20 Jahren?
Immer noch in Gummersbach. Ich bin kein Prophet, der Träume hat (vgl. Jeremia 23,28), darum predige ich gerne das Wort Gottes weiter!
Wenn ein Wunsch mit Blick auf die Gemeinde auf jeden Fall wahr würde: Was würden Sie sich wünschen?
Ich wünsche uns allen ein geistreiches Vorankommen in den notwendigen Entwicklungsschritten unserer Gemeinde – in allen Bereichen! Ein geistesgegenwärtiges Presbyterium und geistvolle Gottesdienste für Alte und Junge! Anders ausgedrückt: dass wir dem Wirken des Geistes nicht im Weg stehen. Also einen geistreichen Tröster (Johannes 14, 26) - statt geistloser Trostlosigkeit!
Welcher Bibelvers ist Ihnen besonders wichtig?
„Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ (Galater 6, 10).
Warum lohnt es sich, den Gottesdienst zu besuchen?
Der Gottesdienst ist für mich ein „heiliger Moment“, wo sich der Himmel gleichsam öffnet und Gott uns reich beschenken will – mit seiner spürbaren Gegenwart, seiner Nähe, seinem Trost und seinem Anspruch an mich und mein Leben. „Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht!“ (EG 166,1) Natürlich ist Gott überall gegenwärtig! Aber die garantierte „Sprechstunde“ ist da, „wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ (Matthäus 18, 20).
Zur Person
Uwe Selbach (Jahrgang 1960) kommt aus Solingen. Mit dem Ziel, Pfarrer zu werden, studierte er von Sommer 1981 bis März 1988 an der Kirchlichen Hochschule (KiHo) Wuppertal und an den Universitäten Tübingen, Mainz und Bonn. Parallel zum Vikariat in Wuppertal-Elberfeld war er als Vikarsassistent bei den Professoren Dr. Gerhard Barth und Dr. Dr. Rainer Röhricht an der KiHo Wuppertal.
Anschließend arbeitete Uwe Selbach als Pastor im Sonderdienst für Beratung und Begleitung der Theologiestudierenden an der KiHo. Im Jahr 1995 wurde er zum Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Gummersbach berufen. Uwe Selbach hat mit seiner Frau Pia fünf Kinder, die zwischen 1983 und 1996 geboren wurden, sowie fünf Enkelkinder.
www.ekagger.de | jth | Interview: Frank-Michael Rommert | Fotos: Rolf Debus; Vera Marzinski