Direkt zur Hauptnavigation springen Direkt zum Inhalt springen Zur Unternavigation springen

SEXUALISIERTE GEWALT Vier oberbergische Beratungsstellen im Interview

  • Diakonie

Für eine offene Gesprächskultur über Grenzen und Gefühle werben die vier Beratungsstellen Haus für Alle, Herbstmühle, Baumhof und nina+nico bei sexualisierter Gewalt.

Anlässlich des „Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt“ am 18. November und des „Tages der Kinderrechte“ am 20. November stellen sich die vier spezialisierten Beratungsstellen bei sexualisierter Gewalt im Oberbergischen Kreis vor. In einem gemeinsamen Interview gibt der Arbeitskreis „Prävention und spezialisierte Beratung bei sexualisierter Gewalt“ Auskunft über die Arbeit der Beratungsstellen. Der Arbeitskreis besteht aus den Beratungsstellen Baumhof (Gummersbach), Haus für Alle (Waldbröl), nina+nico e.V. (Gummersbach) und Herbstmühle (Wipperfürth).

 

Können Sie uns einen Überblick über Ihre Arbeit in der Beratungsstelle geben? Wer kann sich mit welchen Themen an Sie wenden?
Im Prinzip können Menschen mit Fragen zur Erziehung, Familie, Ehe/Partnerschaft oder anderen Themen kommen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Konfession. Die kostenfreie Beratung findet unter Beachtung der Schweigepflicht statt und ist bei Bedarf auch anonym möglich. Im Bereich sexualisierte Gewalt können uns Betroffene, Familien und Fachkräfte kontaktieren. Der Verein nina+nico e.V. beschäftigt sich ausschließlich mit den Themen Gewalt und sexualisierte Gewalt. Die Beratung bei sexualisierter Gewalt war schon immer Teil der Arbeit aller Beratungsstellen im Oberbergischen Kreis, hat aber durch die spezialisierte Beratung einen besonderen Schwerpunkt erlangt.

 

Wie kann man sich einen Beratungsprozess vorstellen, wenn jemand zum ersten Mal zu Ihnen kommt?
Nach der Anmeldung in der Beratungsstelle (per Mail, Kontaktformular, telefonisch, persönlich) wird ein Termin vereinbart, bei dem es um das Kennenlernen und die Klärung des Anliegens geht. Die Schwerpunkte liegen darin, Ressourcen zu stärken, zu ermutigen und Veränderungen und Bewältigungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die Begleitung kann bei Bedarf auch über einen längeren Zeitraum stattfinden. Kinder und Jugendliche haben übrigens das Recht auf Beratung auch ohne Wissen der Eltern. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kann durch spielerische und kreative Methoden gekennzeichnet sein.

 

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für Betroffene, Hilfe in Anspruch zu nehmen, und wie können diese bewältigt werden?
Scham- und Schuldgefühle spielen oft eine große Rolle. In vielen Fällen besteht eine große Angst vor den möglichen Konsequenzen oder dass Betroffenen nicht geglaubt werden könnte. Aber es ist wichtig zu wissen: Betroffene sind nie schuld!

Unterschiedliche Beratungsformate (telefonisch, Video, Präsenz) sollen den Zugang zur Hilfe erleichtern. Die Beratung ist individuell und immer parteilich für die Betroffenen. Wir arbeiten traumasensibel und stabilisierend, dabei respektieren wir die Bedürfnisse und Grenzen der Menschen. Wichtig ist für uns Transparenz und die Partizipation der Betroffenen.

 

Welche Rolle spielt die Präventionsarbeit in Ihrer Beratungsstelle?
Im Bereich der Prävention sexualisierter Gewalt geht es um die Sensibilisierung, den achtsamen Umgang miteinander und das verantwortungsbewusste Handeln zum Schutz des Kindeswohls. Präventionsveranstaltungen für Schulen, Kindertagesstätten, Vereine und andere können in den Beratungsstellen angefragt werden. Wir passen die Veranstaltungen auf die Bedarfe der jeweiligen Zielgruppe an. Dabei arbeiten wir beratungsstellenübergreifend.

 

Welche Schritte können Angehörige oder auch Institutionen unternehmen, um Betroffene zu unterstützen?
Zuhören, Da-sein, Ruhe bewahren. Wir raten Angehörigen: Handeln Sie nicht überstürzt, sondern gut überlegt mit Einbezug der spezialisierten Beratungsstellen. Kinder und Jugendliche akzeptieren in der Regel sehr gut, dass es keine einfache, schnelle Lösung gibt. Bieten Sie Hilfe an und orientieren Sie sich dabei an den Bedürfnissen der Betroffenen. Die Bereitschaft da zu sein und zuzuhören, ist im ersten Schritt schon sehr hilfreich.

 

Was würden Sie Betroffenen gerne mit auf den Weg geben, die sich unsicher sind, ob sie sich an eine Beratungsstelle wenden sollen?
Es kann sehr entlastend sein, wenn man mit schwierigen Themen nicht allein bleibt. Es muss nicht alles erzählt oder besprochen werden, das können Hilfesuchende selbst steuern. Betroffene können Fragen stellen, Informationen einholen und eigenständig entscheiden, ob und wie es weitergehen soll. Wir verstehen uns als Begleiter und Begleiterinnen in diesem Prozess.

 

Welche langfristigen Veränderungen erhoffen Sie sich im Umgang mit sexualisierter Gewalt in unserer Gesellschaft?
Wir würden uns wünschen, dass das Thema sexualisierte Gewalt zunehmend einen Platz in der Öffentlichkeit findet. Erst, wenn das Bewusstsein dafür gesellschaftlich verankert ist, werden wir handlungsfähig. Prävention muss im Alltag integriert sein, zum Beispiel durch eine offene Gesprächskultur über Grenzen und Gefühle. Außerdem brauchen wir gelebte Schutzkonzepte in den Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Dafür ist eine politische Haltung notwendig, die tolerant und zeitgemäß ist und Themen wie sexuelle Bildung und Kinderrechte ins Bewusstsein bringt. Kinderrechte müssen aktiv gelebt werden, im Privaten, in Bildungseinrichtungen, in der Kinder- und Jugendhilfe, in Vereinen und in der Justiz. Der Schutz von Betroffenen sollte immer Vorrang haben!

Vielen Dank für das Gespräch! 

 

Spezialisierte Beratungsstellen im Oberbergischen Kreis:

Haus für alle – Waldbröl (Ev. Kirchenkreis An der Agger, www.hausfueralle.de, ekagger.de)

Nina+nico e.V. – Gummersbach ( nina-nico.de)

Baumhof – Gummersbach (Oberbergischer Kreis, www.obk.de)

Herbstmühle – Wipperfürth (Caritas, www.beratung-in-wipperfuerth.de)

Medienecho 

"Europäischer Aktionstag: Oberbergs Beratungsstellen machen gegen Kindesmissbrauch mobil", Ovz digital (18.11.2024) 

www.ekagger.de | jth | Foto: Panuwat Dangsungnoen/istock 

k-Regenschirm_Foto_istock_.jpg

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen liegt immer in der Verantwortung der Erwachsenen.