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KIRCHENKREISBLOG Der ferne Gott. Von Martin Will

  • Andacht

Martin Will aus Eckenhagen macht sich Gedanken über den persönlichen Sicherheitsabstand, die Vereinnahmung Gottes für menschliche Zwecke und zieht Rückschlüsse auf politischen Missbrauch des Namens Gottes. Auch wir müssen in unserer unsicheren Zeit fragen und darüber streiten, was Gottes Wille für unser Leben ist.

Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?

Jeremia 23,23 

Im zwischenmenschlichen Bereich ist ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz etwas Wesentliches. Wie unangenehm kann es sein, wenn Menschen bestimmte Grenzen nicht beachten. Wer einem zum Beispiel beim Reden zu nahe kommt und buchstäblich „auf den Leib“ rückt, wird schon mal als unfreundlich oder zumindest ignorant empfunden. Aber das hängt auch mit dem jeweils eigenen subjektiven „Sicherheitsabstand“ zusammen. Mir geht es so, dass ich in solchen Fällen ein, zwei Schritte zurückgehe. Schwierig wird es, wenn das Gegenüber einem dann nachrückt ... Unerwünschte Nähe bis hin zum plumpen Anfassen wird zu Recht als übergriffig angesehen.

Wenn wir nun das Prophetenwort, den Monatsspruch für September aus Jeremia 23 unter dem Gesichtspunkt der Grenzüberschreitung bedenken, mag uns das vielleicht zunächst befremdlich erscheinen. Zeichnet es nicht gerade unseren Glauben aus, dass Gott uns nahe kommt, dass er nicht fern bleibt, ja, sogar als Mensch geboren wird?! Jesus lehrt uns doch, dass er wie ein liebevoller Vater ist, dem das Ergehen seiner Kinder unendlich wichtig ist! - Doch andererseits steht Jesus klar in der Tradition der biblischen Zeuginnen und Zeugen, wenn er vehement die Vereinnahmung Gottes für menschliche Selbstzwecke ablehnt.

Wir sind nicht immun gegen den Missbrauch des Namens Gottes

Islamisten zum Beispiel geben vor, auf vermeintlich religiösem Hintergrund für die Sache des Islam einzutreten und bringen so Tod, Zerstörung und unsägliches Leid im Namen Allahs. Aber kehren wir hier besser vor der eigenen Haustür! Ist es nicht zum Fremdschämen, wie nicht nur rechtsextreme AfD-Mitglieder & Co den „Untergang des Abendlands“ heraufbeschwören, zugleich aber vor lauter Abgrenzung, ja bisweilen schäumendem Hass, das elementare Gebot der christlichen Nächstenliebe massiv unterminieren? Die Evangelische Kirche im Rheinland hat dieses Unterfangen auf der Landessynode  2024 sehr deutlich benannt und kritisiert.

Auch fundamentalistische Christen, ja wir alle, sind nicht immun gegen den Missbrauch des Namens Gottes. So verspricht Patriarch Kyrill, der oberste kirchliche Kriegstreiber der russisch-orthodoxen Kirche, allen russischen Soldaten, die im Krieg gegen die Ukraine zu Tode kommen, dass sie dann auf direktem Weg im Himmel aufgenommen werden. Was für eine Blasphemie! 

Ein nicht unerheblicher Anteil gerade evangelikaler Christen in den USA unterstützt einen Präsidentschaftskandidaten, dem jegliche Moral und Skrupel fremd sind, weil sie meinen, er würde ihren Zwecken am besten dienen: das Christentum, wie sie es verstehen, zu stärken.

Vermeintlich christliche Verhaltensnormen dürfen andere nicht ausgrenzen

Und auch hier zu Lande werden Bibeltexte aus ihrem historischen Zusammenhang gerissen, um vermeintlich christliche Verhaltensnormen zu etablieren, die, so sehe ich das, dem Geist Jesu Christi widersprechen. Unter diesem Vorzeichen werden Lebensstile und Orientierungen absolut gesetzt und damit Ausgrenzungen vorgenommen. Vor diesem Hintergrund müssen wir die eigenen Maßstäbe aufs Neue überprüfen und hinterfragen mit Hilfe auch gerade der kritischen Einwände, die die Propheten und die Bibel insgesamt vorbringen.

Im Jahr 1934, vor 90 Jahren, wurde die Barmer Theologische Erklärung verfasst. Diese Bekenntnisschrift ist zum Beispiel in unserer Evangelischen Kirche im Rheinland als so wichtig eingestuft, dass Pfarrpersonen wie auch Presbyteriumsmitglieder neben den altkirchlichen Bekenntnissen bis auf den heutigen Tag darauf verpflichtet werden. Im Kern geht es um Jesus Christus als den alleinigen Maßstab des christlichen Lebens und Glaubens:

„Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“
 (These 1)

Was ist Gottes Wille für unser Leben? 

Die sogenannten Deutschen Christen, scharfe Gegner der Bekennenden Kirche, sahen in Hitler, einem vermeintlich „Gottgläubigen“, einen Retter der Deutschen und der Protestanten. Das Gerede vom „Herrgott“ verfing auch bei Vielen im Oberbergischen, es wäre heilsam gewesen, hätten sie ein Bibelwort wie das des Propheten Jeremia als Richtschnur genommen, um die Zeichen der Zeit recht zu deuten.

Auch wir sollten in unserer so unsicher gewordenen Zeit aufs Neue als Christen fragen - und auch, wenn es sein muss, darüber streiten, was Gottes Wille für unser Leben ist.

Mit herzlichem Gruß
Ihr Martin Will

Pfarrer Martin Will ist Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Eckenhagen. 

Gottesdienste  

evk-eckenhagen.de

www.ekagger.de | jth | Text: Martin Will | Foto: Kirchengemeinde Eckenhagen; Philip Schenk | bearbeitet: 23.9.2024

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Pfarrer Martin Will sorgt sich um die politische Vereinnahmung des Wortes Gottes.

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Sonntag feiert die Kirchengemeinde um 10.10 Uhr Gottesdienst in der Barockkirche Eckenhagen (Kirchbergstraße 4, Reichshof-Eckenhagen). Regelmäßig gibt es Gottesdienste in der Kapelle in Sinspert.