Heute wiederholt sich zum 90. Mal der Tag, an dem Adolf Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde. Es war nicht der Tag, an dem die Katastrophe ihren Anfang nahm und auch ganz gestimmt nicht der Höhepunkt des Terrors. Nicht einmal der "point of no return" war dieser Tag.
Dennoch wurde am 30. Januar 1933 für alle, die es wissen wollten, deutlich, in welche Richtung es gehen sollte. Ein hoch symbolischer Tag: Der demokratisch gewählte Reichspräsident ernennt mit vordergründig legalen Mitteln den kommenden Diktator zum scheinbar legalen Reichskanzler. Den, der von Anfang an gesagt hat, dass er die Verfassung zerstören und die Demokratie abschaffen will und eine ungeahnte Verfolgung der Jüdinnen und Juden in Deutschland geplant hat.
Beim Blick in den Predigttext für den dritten Sonntag nach Epiphanias, den Vortag des 30. Januar, fiel mir ein Satz auf:
„Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.“ (Mattthäus 17,8)
Wann, wo und wer hat nach dem 30. Januar die Augen aufgehoben? Wer hat sich verwundert die Augen gerieben? All der Spuk, all die Lügen, all dies „Lieb-Kind-Machen“ - es war mit einem Mal vorbei. Der angehende Diktator zeigte sehr schnell seine eigentliche Fratze. Und seine Truppen, die mit den braunen Hemden, haben sehr schnell den Terror auf den Straßen unerträglich gemacht.
Bonhoeffer zeigte schon im Februar 1933 Weitsicht
Aber es gab auch Weitsicht. Schon im Februar des Jahres 33 hat ein junger Dozent für Evangelische Theologie – Dietrich Bonhoeffer – in Berlin einen Radiovortrag gehalten. Er hat über das „Führerprinzip“ gesprochen und weitsichtig wie kaum einer davor gewarnt, dass aus Führenden auch Verführende werden können.
Als die Menschen in Deutschland nach dem Traum des Winters 1933 aufsahen, sahen sie nichts mehr von dem Zauber, von der Magie, von der Euphorie, sie sahen ihn allein, den Diktator, den Verführer, den Despoten. Die Nebel begannen sich zu lichten, aber da war es zu spät.
In der Matthäuserzählung geht es natürlich um etwas anderes. Als die „Vision“ vorbei war, war das Jesus allein – nicht Mose, nicht Elia. Und Matthäus will die Jünger auf Jesus einschwören.
Bekennende Kirche: Jesus Christus ist das eine Wort Gottes
Im Mai 1934 formuliert die Bekennende Kirche in Wuppertal-Barmen: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ Wenn man von dem braunen Traum aufwacht, sie man die wahre Fratze. Und wenn man von dem frommen Traum aufwacht, sieht man Christus – das eine Wort Gottes.
Pfarrer Hans-Georg Pflümer ist Schulpfarrer am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Wiehl und Vorsitzender des Theologischen Ausschusses im Kirchenkreis An der Agger
www.ekagger.de | jth | Text: Hans-Georg Pflümer | Foto: Wikimedia Commons/Deutsche Bundespost