Der Schuldbrief hier ist eine Anklageschrift, die sich aus unserem sündigen Tun Gott und unseren Nächsten gegenüber täglich neu schreibt. Mit damals verbreiteten Vorstellungen von Opfern, welche die Gottheit milde stimmten, nähert sich der Kolosserbrief dem Schicksal Jesu.

Heute bereiten uns solche Vorstellungen Schwierigkeiten – die Bedeutung eines einzelnen Menschenlebens erscheint uns unschätzbar hoch. Das Ziel Jesu war es nicht, sich für die Sünden der Menschheit zu opfern, sondern „das Leben Jesu selbst hat erlösende Kraft: In einer Welt vielfacher Entfremdung verkündet und lebt Jesus das Evangelium von Gottes radikaler und uneingeschränkter Liebe. Er nimmt niemanden von seiner Zuwendung aus; befasst sich mit Belastungen aller Art, Angst, sozialer Ächtung, persönlicher Schuld – und bringt so Gott nahe, nicht als verurteilenden, sondern als annehmenden, aufrichtenden, versöhnenden und zum Risiko der Liebe ermutigenden Gott. (Franz-Josef Nocke)“. Seinen Tod nimmt Jesus als Konsequenz dieser Botschaft in Kauf.      

Heute sollen wir anderen Gesetzen Genüge tun: dem Zwang, alles einem unbedingten Leistungsprinzip unterzuordnen; und mit allem so viel Geld wie möglich zu verdienen; dem Zwang, an sich selbst zu arbeiten, weil wir nicht zu genügen scheinen, so wie wir sind. Von Kindesbeinen an wird uns beigebracht: ‚Ändere dich, dann wirst du geliebt, verbessere dich, dann kannst du etwas werden.‘

Da spricht uns der Kolosserbrief zu: Lebe du frei, allein im Vertrauen auf Gott, der dich hinein nimmt in die Bewegung auf sein wunderbares Reich zu. Kommen wird die Wirklichkeit Christi, dass du aufatmen kannst, dass Gerechtigkeit werde und Friede sei!

Dr. Alexander Warnke ist Schulpfarrer am Lindengymnasium in Gummersbach. Der Theologe ist auch Kirchenmusiker. Auf der Sommersynode des Kirchenkreises An der Agger in Oberwiehl hielt er die Andacht.  

www.ekagger.de  | jth | Text: Alexander Warnke | Foto: Kirchenkreis An der Agger/Vera Marzinski