In Matthäus 26, 40f lesen wir (nach der BasisBibel):

40 Jesus kam zu den drei Jüngern zurück und sah, dass sie eingeschlafen waren. Da sagte er zu Petrus: »Könnt ihr nicht diese eine Stunde mit mir wach bleiben? 41 Bleibt wach und betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht! Der Geist ist willig, aber die menschliche Natur ist zu schwach.«

Im Garten Gethsemane in Jerusalem hat Jesus seine engsten Vertrauten, Petrus, Jakobus und Johannes gebeten, mit ihm zu kommen, bei ihm in seiner unfassbaren Not zu sein – und zu bleiben.

Denn Jesus wusste, wie wichtig es ist, dass in der Not Menschen an unserer Seite sind.

Und dann musste Jesus diese Erfahrung machen: Sie sind zwar mit ihm gekommen, aber die Belastung des vergangenen Tages war zu viel, die Eindrücke zu mächtig, die Müdigkeit zu groß: Sie sind eingeschlafen – und zwar alle drei!

Ausgerechnet die drei, denen er am meisten vertraut hat, denen er seine ganze Verzweiflung offenbart hat, sein „Furcht und Zittern“, wie es bei Luther heißt, und sein „Bitte nicht! Nicht ich! Nicht jetzt!“ oder das „Wenn es möglich ist, erspare es mir, diesen Becher auszutrinken!" 

Die, die in diesen Kampf sein Rückhalt sein sollten, schlafen ein. Sie sind ihrer Müdigkeit und Erschöpfung nicht gewachsen.

Was für eine bittere Erfahrung!

Und zwar auf der einen Seite für Jesus, der natürlich darauf gesetzt hat, dass sein Rückhalt ihn wirklich halten kann, dass da jemand ist, auf den er bauen kann in seiner schweren Zeit.

Aber genauso eine unfassbar bittere Erfahrung für die drei Jünger:

Was ging wohl in ihnen vor, als sie aufwachten? Sie sahen zuerst Jesus in sein leidvolles Gesicht und sich dann gegenseitig in ihre verschlafenen Augen?

Verlegenheit, Scham, Unsicherheit, das Bedürfnis, einfach nur wegzulaufen?

Auch das gehört zu den Erfahrungen von Passion, dass es manchmal schlichtweg eine Überforderung für uns ist, so viel Angst, Trauer und Verzweiflung zu ertragen.

Dass das Leid des Anderen einfach kaum auszuhalten ist – und da kann Schlaf eine willkommene Flucht vor der Überflutung der Gefühle sein. Oder der Wunsch, wegzulaufen, oder irgendetwas zu tun, zu sagen…

Unerträglich war es für Jesus selbst, die Enttäuschung, dass diese drei nicht so für ihn da waren, wie er es gebraucht hätte. Und doch ist seine Reaktion nicht böse, abwertend: Selbst jetzt richtet er seinen Blick auf das Wohl der Jünger: „Bleibt wach und betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht!“ Selbst in dieser schweren Situation bleibt er – trotz der Enttäuschung –seinen Freunden zugewandt.

Und so unerträglich es für Jesus war, war es auch für seine Freunde.

Aber das müssen wir einfach wissen und sagen und uns auch eingestehen:

Wenn wir andere Menschen auch mit der allerbesten Absicht in ihrer Not begleiten wollen,

es kann dann doch passieren, dass es uns überfordert,

dass uns doch vielleicht auch die totale Erschöpfung übermannt.

Und wenn wir selber in der Situation sind, dass wir auf hellwache Begleitung, auf hilfreiche Nähe hoffen, weil wir selber in unserem Garten Gethsemane sitzen, dann dürfen auch wir barmherzig und liebevoll mit denen sein, die uns vielleicht wie Schlafmützen vorkommen.

Denn: „Der Geist ist willig, aber die menschliche Natur ist zu schwach.“

Gebet:

Himmlischer Vater,

manchmal ist es so, dass unser Herz voller Entsetzen ist, wenn wir die Schrecken mitansehen müssen,

das Leid im Leben der Menschen die uns wichtig sind, die wir lieben…

Diese Erfahrung, völlig hilflos zu sein vor so viel auswegloser Not,

sie lässt uns verzweifeln, sie lähmt uns…

Schenke uns die Kraft, die der andere gerade jetzt von uns braucht.

Herr, schenke uns Geduld in diesen schweren Augenblicken,

und gib uns, was notwendig ist.

Und schenke uns Barmherzigkeit, wenn wir die Erfahrung machen müssen,

dass diejenigen, die wir ins Vertrauen gezogen, die wir um Rückhalt gebeten haben,

dass sie notwendige Energie nicht aufbringen konnten,

um uns so zu helfen, wie wir es gebraucht hätten.

Und schenke uns auch Barmherzigkeit mit uns selbst,

wenn wir selbst an einer solchen Aufgabe gescheitert sind.

Danke, dass wir uns in deiner Barmherzigkeit geborgen wissen dürfen.

Amen.

Helmut Krüger ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Gummersbach (Bezirk Innenstadt) und Mitglied des Kreissynodalvorstands  

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