Der erste Besuch des Präses im Kirchenkreis war digital, persönlich und ermutigend. "Wir als Kirche müssen Schale sein, nicht Rohr", sagte Präses Dr. Thorsten Latzel im Gespräch mit der Synode. "Ich muss mich von dem füllen lassen, was ich weitergeben will."
Thorsten Latzel präsentierte auf der digitalen Synodalversammlung seine Gedanken und Ideen unter dem Titel „Kirche der Zukunft“. Mitglieder- und Relevanzverlust seien nicht neu: „Die Faktoren, die dieser Entwicklung zugrunde liegen, kennen wir seit Jahrzehnten. Als Kirche haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Wir sind gut im Diskutieren, aber schlecht im Verändern. Unser Problem ist, dass wir in alten Strukturen verhaftet bleiben und uns nicht konsequent auf die grundlegend veränderten Voraussetzungen einstellen.“ Superintendent Michael Braun hatte den Präses virtuell am Bildschirm begrüßt. Thorsten Latzel war live zugeschaltet aus Mainz, wo er am Nachmittag seinen Antrittsbesuch bei Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatte. Sie habe ihm gesagt, noch nie habe sie so viele Gottesdienste besucht – online – wie in der Coronazeit. Ebenso hatte Braun die mehr als 120 Synodalen des Kirchenkreises sowie weitere Gäste begrüßt, darunter auch die Schülerin Chiara Schiewe, die Theologie studieren möchte, ebenso den Kirchenkreisbegleiter Oberkirchenrat Henning Boecker und Arno Molter, den neuen Leiter der Evangelischen TelefonSeelsorge Oberberg. Nach den Synodalversammlungen zum Pfarrstellenentwicklungsprozess und der Kreissynode im Herbst war es für die Synodalen erneut ein digitales Treffen.
Um den damit verbundenen Aufgaben gerecht zu werden, brauche die Evangelische Kirche im Rheinland einen gelingenden kirchlichen Föderalismus. Die Kirche müsse noch rheinischer werden im Sinne des Grundgedankens des presbyterial-synodalen Systems. Latzel: „Diese Gedanken sind hochaktuell, denn es kommt den Leitideen moderner Netzwerk-Organisationen und einer Start-Up-Kultur entgegen. Vom Ansatz her zeichnet es sich aus durch flache Hierarchien, postmaterielle Werte, Partizipation. Diese Ansätze gilt es gegen strukturkonservative Tendenzen auszubauen. Mithilfe von verschiedenen Angeboten in Kooperationsräumen und im Kirchenkreis - mixed economy – bieten wir Menschen verschiedener Herkunft und mit verschiedenen Interessen eine Heimat“, sagte Latzel. |
Corona: Re-Start, Neustart, Integration
Aus vier Gemeinden gab es Schlaglichter, um zu zeigen, wie vielfältig die Angebote in den Kirchengemeinden bereits sind. Pfarrerin Stefanie Eschbach gab Einblicke in die Open-Air-Gottesdienste auf dem Markplatz, in Altenheimen, in Schule und Kindergarten, auf dem Segelflugplatz, an der Talsperrenstaumauer und sogar im Stall. Was man unbedingt brauche: Strom und Mut zu verrückten Ideen sowie Menschen, die bereit sind, Stühle, Boxen, Klavier und anderes zu schleppen.
Pfarrer Gernot Ratajek-Greier erzählte von der geplanten Trecker-Weihnacht in der Kirchengemeinde Drabenderhöhe und von vielen Angeboten der Gruppen und Kreise, die stattfinden können, weil die Diakonin der Gemeinde eine Fortbildung zum Durchführen von Coronatests gemacht hat. Pfarrer Maik Sommer war live zugeschaltet aus einer Jugendfreizeit. Aus dem fahrenden Auto heraus berichtete er von den vielen technischen Neuerungen und dem Aufwand in der Gemeinde, besonders dem Technikteam bei den Onlinegottesdiensten. Mit den neuen Angeboten wurden auch Menschen erreicht, die vorher nicht in den Gottesdienst gekommen waren.
Karin Thomas, Gemeindereferentin in der Kirchengemeinde Holpe-Morsbach, berichtete von der Verabschiedung des Pfarrers nach 34 Jahren als Drive-In-Veranstaltung. Der persönliche Kontakt zur Gemeinde sei immens wichtig. Jetzt soll die Gemeindekonzeption nach Ressourcen und gabenorientiert neu bedacht werden. „Was möchten und brauchen wir, aber wir fragen auch: Was möchte der Heilige Geist? Wohin weht uns der Heilige Geist Gottes?“ Um darauf eine Antwort zu finden, will sich die Gemeinde mit dem Konzept "Natürliche Gemeindeentwicklung" befassen. Verschiedene Gemeinden im Kirchenkreis wollen dieses Konzept nach Christian Andreas Schwarz ausprobieren und sich darüber austauschen.
Wir sind schon jetzt eine Kirche in Bewegung
Superintendent Michael Braun lobte die Kirchengemeinden für ihre Schnelligkeit und ihren Mut in der Coronazeit. „Wir sind schon jetzt eine Kirche in Bewegung.“ Und: „Bei allen anstehenden Veränderungen sollten wir nie das Gebet und Gottes Führung und Geleit vergessen, bitte beten Sie auch für eine gute Zukunft unserer Gemeinden und unserer Kirche.“
Dass die Rahmenbedingungen sich ändern, wird sich im Herbst konkretisieren. Dann beginnt eine 50-köpfige Arbeitsgruppe mit Vertretern aus allen 24 Kirchengemeinden mit dem Zukunftsprozess 2030. Darin geht es um den Umgang mit der kleiner werdenden Zahl an Pfarrerinnen und Pfarrern. Die Finanzlage ist erst einmal solide, bestätigte Verwaltungsleiter Thomas Hildner: „Wir freuen uns, dass das prognostizierte Kirchensteueraufkommen für das Jahr 2021 erreichbar scheint." Dieses basiert wegen Corona auf dem Ist des Jahres 2019 minus fünf Prozent. Mehr als durch die Corona-Krise werde das Kirchensteueraufkommen langfristig durch die Mitgliederentwicklung beeinflusst werden.
Das Schiff, das sich Gemeinde nennt
Die Andacht zu Beginn der Synodalversammlung hielt Pfarrer Andreas Spierling zusammen mit dem jungen Vikar Jurij Paul, der auch Musik mitbrachte und ein Segensgebet. Spierling benannte die "Nacht der leeren Netze", in der man trotz aller Anstrengen nichts fängt und nichts nach Hause bringen kann, konkret auch als Zeit des Umbaus der kirchlichen Strukturen und auch als zermürbend und beängstigend.
Sein Zuspruch: "Ich wünsche uns, dass wir Gottes Ruf hören und spüren. Dass wir uns dabei auf unsicherem Terrain bewegen, soll uns nicht abschrecken. Lernen wir uns zu entgrenzen und etwas zu wagen. Scheuen wir uns nicht, in die Tiefe zu gehen - denn unter uns sind ewige Arme gebreitet."
MEDIENECHO
"Präses möchte Presbyterien stark entlasten", Oberberg Aktuell
"Von der Krise in den Neubeginn", Oberbergische Volkszeitung (OVZ), 14. Juli, S. 24
www.ekagger. de | jth | Text: Judith Thies | Fotos: Dominik Asbach, Kirsti Greier, Kirchengemeinde Wipperfürth, Maik Sommer, Georg-Wilhelm Overbeck, Kirchengemeinde Holpe-Morsbach, Kirchengemeinde Bergneustadt. Screenshots: Kirchenkreis An der Agger/Vera Marzinski